Wissenswertes
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  zur Geschichte
  Sitzgelegenheiten mit drei bzw. vier Beinen verwenden wir schon seit mehr als 5000 Jahren, jedoch der Stuhl an sich (nicht zu verwechseln mit einem Schemel oder einer Bank) wurde erst im 17. Jahrhundert populär. Zuvor galt er als Symbol der Macht bestimmter Personen, denen das Privileg eines individuellen Sitzplatzes zugestanden wurde.

Stuhlflechtrohr wird aus dem Fernen Osten importiert und hielt in Europa Einzug, als die Holländer ihre Kolonialmacht in Indonesien ausbauten. Schnell entdeckten die europäischen Möbelbauer diese Technik für sich und entwarfen teure Nussbaumstühle, aber auch schlichte und preiswerte Sitzgelegenheiten aus Buchenholz mit ausgeflochtenen Flächen. Das heute weitestgehend übliche Acht-Eck-Wabenmuster soll jedoch das erste Mal schon vor 4000 Jahren in Ägypten aufgetaucht sein.

Um 1670 waren ausgeflochtene Stühle so populär, dass sie das Englische Königspaar in ihre Gemächer einführte, komplettiert mit Tischplatten, Chaiselongues und anderen Luxusgütern in sehr hochwertigem Rohrgeflecht.

Mit den Chippendale-Stühlen kamen sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder aus der Mode, da diese meistens zum Ausflechten ungeeignet waren.

Im Jahre 1850 verbesserte M. Thonet in Wien die Holzdämpftechnik und ermöglichte die Produktion der ersten Bugholzstühle, deren Sitze oft mit Rohrgeflecht versehen waren. Sein vielleicht bekanntester Stuhl ist der sogenannten Caféhausstuhl, Modell Nr. 14. Allein bis 1930 wurde er von den Gebrüder Thonet und anderen Produzenten über 50 Millionen mal hergestellt und weltweit exportiert. Auch heute noch ist der Caféhausstuhl weit verbreitet, allerdings oft nicht mehr handgeflochten, sondern mit Maschinengeflecht versehen.

Die geflochtene Sitzfläche verschwand seitdem nie mehr ganz von der Bildfläche. Eine neue Blüte kam für die Stuhlflechter in der Gründerzeit und der Epoche des Jugendstils um die Jahrhundertwende ( 1880-1920). Die meisten geflochtenen Stühle in deutschen Haushalten stammen aus dieser Zeit.

  Thonet Caféhausstuhl, Nr. 14
Thonet-Sessel Nr. 14,
ca. 1870 - 1930

   
  zum Handwerk
 

Das herkömmliche Acht-Ecken-Wabengewebe (wegen der Gebrüder Thonet auch Wiener Geflecht genannte) wird in sechs Arbeitsschritten hergestellt:

Zuerst wird ein Stuhlflechtfaden zwischen den hinteren und den vorderen Löchern der Sitzfläche gespannt. Dabei wandert der Faden in ein Loch hinein und kommt im Nachbarloch wieder heraus.
Danach folgt die Bespannung zwischen den linken und den rechten Seitenlöchern. Der Faden wird dabei einfach über den Arbeitsschritt 1 gelegt.
Der dritte Arbeitsschritt wird genau über den ersten gelegt. Und erst beim vierten Arbeitsschritt wird zum ersten Mal der Faden gewebt.
Nach dem Ausrichten der Fäden erhält man ein gleichmäßiges Karomuster, in das die Diagonalen von links oben nach rechts unten und von rechts oben nach links unten geflochten werden.
Danach erfolgt das Verknoten oder Verstöpseln der Enden und eventuell das Anheften einer Deckleiste, je nachdem aus welcher Zeit der Stuhl stammt.

Für das reine Ausflechten einer normalen Sitzfläche braucht man nach wie vor bis zu 10 Stunden, je nach Größe der Fläche (Anzahl der Löcher), Form, Muster und Geschicklichkeit. Die Haltbarkeit des Geflechts ist abhängig von der Behandlung des Stuhls und der Intensität der Benutzung. Darauf knien oder stehen verträgt selbst das kräftigste Gewebe nicht! Aber selbst bei einer dauerhaften und wechselvollen Benutzung wie z.B. in einem Café hält das Geflecht bis zu 25 Jahren.

Heute kann man das Handwerk des Korbmachers, wozu auch das Stuhlflechten gehört, nur noch an der Staatlichen Berufsfachschule in Lichtenfels erlernen. Früher war der "Stuhlflechter" kein Lehrberuf und wurde vorrangig von Frauen in Heimarbeit ausgeübt. Leider ist nicht viel über die Stuhlflechter der vergangenen zwei Jahrhunderte überliefert worden, es müssen jedoch viele gewesen sein, wenn man bedenkt, dass allein der Caféhausstuhl Nr. 14 von den Gebrüder Thonet über 50 Millionen Mal verkauft wurde. Selbst die fortschreitende Industrialisierung konnte den Stuhlflechtern nicht die Arbeit abnehmen - jeder Stuhlflechtfaden muss, wie bereits erwähnt, auch heute noch von Hand durch jedes einzelne Loch gezogen werden.
Das maschinell hergestellte Fertigrohrgewebe ist nur ein zweitrangiger Ersatz. Erstens können alte Stühle nicht mit einem solchen Fertiggeflecht bespannt werden, und zweitens fehlt den modernen, mit Maschinengewebe ausgestatteten Stühlen das gewisse "Etwas". Die bekanntesten "neuzeitlichen" Stühle sind vielleicht die Freischwinger für Küche und Büro.
Das Gewebe wird in einer Nut mit einer Peddigschiene verkeilt. Dadurch geht eine gewisse Grazilität verloren, welche durch das Design des Stuhls nur bedingt ausgeglichen werden kann.
  Freischwinger
Freischwinger,
Thonet 1994
 
Design: Marcel Breuer,
Model No. B 64, 1928

   
  zum Material
 

Stuhlrohr auch Rattan oder Rotan genannt, wächst als Schlingpflanze in den tropischen Urwäldern Indonesiens.
Es gibt sehr viele Sorten von Stuhlrohr, deren Beschaffenheit vom Klima und den unterschiedlichen Bodenverhältnissen abhängig ist.

Im Gegensatz zu Bambus, welcher hohl ist und senkrecht nach oben wächst, hat Stuhlrohr einen festen Kern.
Die einzelnen Stangen sind an den Knoten mit fächerartigen Blättern versehen, die an den Rändern Dornen tragen. Diese Dornen ermöglichen es der Pflanze, bis in die Krone der Urwaldbäume emporzuklettern und sich von Baum zu Baum zu schlingen.
Dabei erreichen die Stangen eine Länge von bis zu 100 Metern und mehr. Je nach Rohrsorte haben die Stangen einen Durchmesser von ca. 3 - 40 mm.

Durch die schilfartige Blätterumhüllung erscheint das Rohr im Naturzustand über doppelt so dick wie die eigentliche Stange dann tatsächlich ist.
Beginnt die Farbe der Rohrstange vom Grün ins Gelbliche überzugehen, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Stange reif zu werden beginnt und geschnitten werden kann.
Das Herausschneiden einzelner Stangen hat zur Folge, dass an der Schnittfläche zahlreiche neue Stämmchen als Ersatz aus dem Wurzelstock emporschießen, die nach etwa 4 - 6 Jahren erneut erntereif sind und geschnitten werden können.
Rattanernte ist also nicht wie Holzeinschlag zu verstehen. Es gibt eine natürliche Erneuerung bzw. Vermehrung.

Bei der Ernte werden die Stangen einzeln aus dem Busch gezogen, von Blättern und Bast befreit und auf handelsübliche Längen von ca. 4 - 6 Meter geschnitten. Dann wird das Rohr nach Sorten gebündelt und an ein schiffbares Wasser gebracht, damit es zu den Sammelplätzen transportiert werden kann.
An den Sammelplätzen wird das Rohr nach Qualität und Stärke sortiert und vom nächstgelegenen Hafenplatz an den Empfänger verschifft.

In der Fabrik wird das Rohr in verschiedenen Arbeitsgängen weiter auf die maschinelle Verarbeitung vorbereitet.
Auf Spezialmaschinen erfolgt dann das Abtrennen der Schale vom Kern. Aus dieser Schale wird u.a. das bekannte Stuhlflechtrohr gefertigt, welches zum Ausflechten von Stühlen, Heizkörperverkleidungen und für die Herstellung von Flechtrohrgeweben usw. verwendet wird.

Der zurückbleibende Kern des Rohres, das Peddingrohr, wird dann mit Spezialmaschinen in die verschiedenen Stärken und Profile (Rundpedding, Schienen, Band) aufgespaltet.

Bei den dicken Sorten, die vornehmlich auf Sumatra und Celebes wachsen, wird lediglich die Schale heruntergeschliffen und dieses Rohr wird dann für die Rahmen der Rattanmöbel verwendet. Diese werden dann mit dem Rundpeddig bzw. den Peddigschienen aus den anderen Rohrsorten umwickelt, bzw. ausgeflochten.

  Rattanpflanze
Rattanpflänzchen

Rattanpflanze
Rattanpalme

 
Quelle: "Stuhlflechtrohr: Ursprung und Verarbeitung", Hamburg-Bergedorfer Stuhlrohrfabrik von Rud. Sieverts Gmbh & Co

   
  einige Muster
 
  klassisches Achteckgeflecht
(auch Wabengeflecht bzw. Wienergeflecht genannt)
  Standardmuster 1
 
  klassisches Achteckgeflecht ,
mit feinerem Material geflochten
  Standardmuster 2
 
  Sternengeflecht,
nicht so stabil wie das Standardmuster, deshalb vorrangig für Heizkörperverkleidungen, Rücken- oder Armlehnen verwendet
  Sternengeflecht
 
  Halbsonnen- bzw. Sonnengeflecht,
nur geeignet für Rückenlehnen oder Tischplatten (dann mit einer Glasplatte geschützt)
  Halbsonnenmuster

   
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